Interview mit Carlo Colombi, Mitgründer von CSD

09.11.2020
 

Foto: Carlo Colombi im CSD-Büro Givisiez, fotografiert von Hugues Siegenthaler

Anlässlich des 50. Jubiläums von CSD haben wir Carlo Colombi, einen der drei Gründer von 1970 und das «C» von CSD, zu einem Interview am Hauptsitz der CSD Gruppe in Givisiez (Freiburg) eingeladen. Während seines Besuchs teilte Carlo Colombi seine Erinnerungen mit den Mitarbeitenden und Mitgliedern der heutigen Geschäftsleitung. Er gewährte Olga Darazs, der Verwaltungsratspräsidentin von CSD, und Daniel Signer, dem Marketing- und Kommunikationsleiter, zwei Stunden seiner Zeit für ein Interview, aus dem wir hier einen Auszug präsentieren.

 

Herr Colombi, können Sie uns etwas über die Entstehung von CSD (Colombi, Schmutz, Dorthe) erzählen?

In den 1960er Jahren arbeitete ich für die Berner Kraftwerke (heute BKW), die mich mit dem Bau der Fundamente des Kernkraftwerks Mühleberg beauftragte. Dieses Mandat wurde dann von einem Berner Ingenieurbüro übernommen, dessen geotechnische Einheit von Bernard Schmutz geleitet wurde. Er bot mir einen Arbeitsvertrag an, den ich jedoch ablehnte: Ich habe noch nie in meinem Leben einen Arbeitsvertrag unterschrieben! Danach wurde ich zum Co-Direktor ernannt und leitete zusammen mit Bernard Schmutz das «Geotechnische Institut». Als wir über die Zukunft nachdachten, kamen wir zur Überzeugung, dass dieses Institut ein auf Geologie und Umwelt spezialisiertes Unternehmen werden könnte. Das war etwas Neues, Modernes. Es gab niemanden auf dem Markt, der das anbot, der Berufsstand hat uns ausgelacht.Bernard Schmutz und ich hielten an unserer Idee fest, weil wir an die mit diesen Geschäftsfeldern verbundenen Zukunftsperspektiven glaubten. Also beschlossen wir, unser eigenes Unternehmen zu gründen. Nach seiner Rückkehr aus Afrika, wo er als Geologe tätig war, kam Jean-Pierre Dorthe zu uns. Alle Mitarbeiter des geotechnischen Instituts wollten bei uns mitmachen. Ich sagte ihnen: «Das ist unmöglich! Wir haben kein einziges Mandat, wir fangen bei Null an!». Trotzdem haben alle bei ihrem alten Arbeitgeber gekündigt, und so haben wir mit 20 Leuten und einem Kapital von 200‘000 Franken beschlossen, unsere Idee umzusetzen. Das Anfangskapital reichte kaum aus, um zwei Monatsgehälter zu zahlen. Glücklicherweise hat uns die SBG (heute UBS) vertraut und uns einen Kredit gewährt.


OD (Olga Darazs): Und auch 50 Jahre später ist UBS noch unsere Hausbank!

15 Tage später, am 1. August 1970, wurde die «CSD Colombi Schmutz Dorthe» dann offiziell gegründet. Wir hatten nicht einmal Räumlichkeiten! Bernard Schmutz fand schliesslich ein Büro in Liebefeld (Grenzweg 1), das eigentlich ein grosses Einfamilienhaus war, mit einem Heimkino und Maschinen zur Herstellung von medizinischen Pillen. Es gab keinerlei Mobiliar, also bat ich alle, ihre Sachen mitzubringen. Und alle waren am Montagmorgen mit ihren Sachen in der Hand da. Ein Bekannter von Bernard (Schmutz) hatte ein Antiquitätengeschäft. Er konnte uns mit Armeemöbeln ausstatten. Die Schreibtische waren aus Eiche, alles war sehr schwer. Aber es hat nichts gekostet, und wir hatten zu dieser Zeit nicht viel Geld. Wir eröffneten rasch ein Büro in Fribourg, zwei Jahre später dasjenige in Lausanne. In den Jahren 1974-1975 verliessen wir das Einfamilienhaus und zogen in unsere eigenen Räumlichkeiten an der Kirchstrasse in Bern. Wir hatten zum Glück viel Arbeit, die Industrie und der Hochbau expandierte stark. Wir waren sehr stark in der Hydrogeologie, und danach hatten wir Erfolg mit dem Abfallsektor. Wir waren die ersten, die den biologischen Prozess erkannt haben, der in Deponien stattfindet: die Produktion von Gas und die Zersetzung von Materialien. Dies brachte uns Mandate aus der Basler Chemie. Unsere andere Stärke war diese Kombination von Geologen und Ingenieuren.

 Rammsondierung in Freiburg, 1970er Jahre


















Foto: Bohrungen auf dem Bahnhofsplatz in Freiburg in den 70er Jahren (Archiv)


Was waren die Folgen der Ölkrise für die CSD?

Anfänglich fühlten wir die Krise nicht, aber die Konkurrenten wurden ängstlich und begannen, die Preise zu senken. Wir haben es nie getan, weil wir davon überzeugt waren, dass man zu niedrigen Preisen schlechte Qualität produziert. Nach einer Weile waren wir blank, hatten nur noch das Eigenkapital, aber keine anderen Mittel mehr. Wir hatten kein einziges laufendes Mandat mehr... Aber eines Tages kam jemand zu uns und sagte: «Euer Konkurrent hat einen Fehler gemacht... Könnt ihr das Problem beheben?». Von diesem Moment an ging es wieder aufwärts. Letztendlich hat Qualität einen Preis.


Wir haben gesehen, dass CSD am Anfang auch in Afrika aktiv war, nicht wahr?

Es war vor allem Bernard Schmutz, der die Mandate in Afrika zusammen mit der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) aufgebaut hatte. Es war ein grosses Abenteuer. Die DEZA beauftragte uns z.B. mit dem Bau einer Brücke über den Fluss Sanaga in Kamerun. Ein grossartiges Mandat! Wir haben deshalb die CSD-Niederlassung Kamerun gegründet. Die Schweiz stiftete eine vorgefertigte Brücke der Schweizer Armee. Ich wollte dieses Projekt einem erfahrenen Ingenieur anvertrauen. Als ich Pierre-Adrien Aviolat traf, trug er überall Verbände. Ich fragte ihn, was ihm passiert sei, worauf er antwortete: «Ich habe einen Heissluftballon gebaut. Er flog eine Zeit lang, aber dann fiel er herunter. « Ich dachte: «Das ist ein Mann mit Courage!»... und habe ihn eingestellt. Der Fluss Sanaga war 1,5 km breit, und die Brücke war in Stücke zerlegt. Also bauten wir alle 30 Meter Pfeiler. Was die Farbe der Brücke betrifft, so wählte der Präsident von Kamerun ... rosa. Als die Brücke in Basel auf dem Schiff bereit für die Lieferung nach Kamerun war, befand sich auch der Schweizer Armeechef auf dem Schiff... mit der rosa gestrichenen ehemaligen Armeebrücke. Es war wirklich lustig!


Foto: Bau der Brücke über den Fluss Sanaga in Kamerun (Archiv)


Im ersten Jahresbericht (1971) unterzeichneten Sie als Verwaltungsratspräsident der CSD. Sie waren also der Chef von Bernhard Schmutz, der vorher Ihr Chef war?

Ich war Verwaltungsratspräsident, aber wir waren Partner, und es gab keine Hierarchie zwischen uns dreien. Wir hatten zu Beginn vereinbart, dass ich zunächst Präsident sein würde, und dass dann Bernard Schmutz und Jean-Pierre Dorthe nachfolgen würden, sozusagen in einem Turnus. Ich war für die Finanzen zuständig.


Wie haben Sie die Strategie bestimmt?

Um ehrlich zu sein, haben wir nicht entschieden, sondern einfach genommen, was kam. Wir waren Opportunisten. Ich habe gerne delegiert, Mitarbeiter einbezogen und ihnen Verantwortung übertragen.


OD: Wenn du sagst, ihr seid Opportunisten gewesen. Ja, ihr hattet eine Menge Mandate, aber ich finde, dass eure Idee, im Umweltbereich zu arbeiten, wirklich sehr visionär war.

Ja, wir hatten diese Vision, aber glücklicherweise leitete Bernhard Schmutz, der Waadtländer Calvinist, alles in die Wege, damit die Projekte auch tatsächlich verwirklicht werden konnten. Tatsächlich haben wir während unserer gesamten Tätigkeit mehrere neue Verfahren erfunden. Einige unserer Innovationen wurden später von anderen Unternehmen übernommen.


OD: In einem Team braucht es verschiedene Persönlichkeiten, damit es funktioniert.


Was wollten Sie als Kind werden ?

Ich wollte unbedingt Schiffbauarchitekt werden. Ein Freund meines Vaters sagte: «Wenn er das tun will, sollte er es nicht zu einem Beruf, sondern zu einem Hobby machen». Tatsächlich entwerfe ich auch heute noch Schiffe aus Stahl, Holz und allen möglichen Materialien. Ich habe mich im Alter von 16-17 Jahren für die Geologie entschieden, als ich noch im Gymnasium in Bern war. Der Geologielehrer hat mit damit sozusagen einen Virus mitgegeben. Was mir an der Geologie so gefällt, ist die zeitliche Dimension, die man sonst in keinem anderen Beruf findet. Geologische Reliefs faszinieren mich immer wieder. Letztendlich hat ein Geologe wenig Kontrolle über die Dinge. Wenn wir in diesem Beruf etwas falsch machen, wird es früher oder später bemerkt werden, also müssen wir uns über das, was wir tun, im Klaren sein. Wir erhalten keine zweite Chance.


OD: Die Geologie ist tatsächlich keine exakte Wissenschaft, aber die Beobachtung spielt eine grössere Rolle als in anderen Berufen.


Was denken Sie über CSD, wenn Sie sich das Unternehmen heute anschauen?

Die ursprüngliche Idee von CSD war, interessante Arbeit für Geologen und Ingenieure zu haben. Dafür sind Geld und gute Organisation notwendig, um das Unternehmen voranzubringen. Daraus entstand die Grundidee der internen Kapitalbeteiligung. Und dieses Prinzip hat funktioniert.


OD: Wir haben die Gruppendirektion vom Verwaltungsrat getrennt, um zwei Gremien zu bilden. Die Direktion ist nicht mit den Niederlassungen verbunden, und wir haben heute 104 Aktionäre.

Oh, da hat sich einiges geändert. Zu Beginn waren wir nur drei Hauptaktionäre, und einige wenige Mitarbeiter hielten Aktien. Als ich CSD verliess, verkaufte ich meine Aktien. So konnte ich endlich mein Schiff bauen und zur See fahren.


OD: Bei CSD geben wir den jungen Menschen Verantwortung, sobald sie ankommen. Erst wenn man ins Wasser springt, lernt man schwimmen.

Ja, und sie machen Fehler wie alle anderen und sie lernen.


Courage ist auch heute noch ein Führungsprinzip der CSD.

Die Mitarbeiterbeteiligung und eine interessante Arbeit sind zwei Schlüsselelemente, denn man sollte das gern machen, was man tut. Wenn es nur «Arbeit» ist, macht es keinen Sinn.


OD: Die Leute kommen zu uns, weil sie an interessanten Projekten mitarbeiten wollen.


Sie haben im ersten Jahresbericht geschrieben, dass Sie junge Leute einstellen und ausbilden: Wie wurden diese ausgebildet?

Einmal in der Woche gab es Schulungsabende, die wir meist in Restaurants durchgeführt haben, und die Mitarbeiter stellten dafür Ihre Freizeit zur Verfügung, ohne dafür bezahlt zu werden. Es war etwas, das Bernard (Schmutz) gut organisiert hatte … Absenzen wurden nicht toleriert, es war sehr strikt.


OD: Als ich 1990 bei CSD Freiburg ankam, gab es zwar Schulungen, aber nicht jede Woche. Heute haben wir die «CSD Academy» für die interne Ausbildung.

In der Vergangenheit haben die Universitäten für unsere Berufsfelder noch gar keine Ausbildung angeboten, also haben wir dies an ihrer Stelle getan.


OD: Ja, eine Umweltingenieurausbildung gab es nicht, Man war entweder Geologe, Ingenieur oder Chemiker. Was uns von unseren Konkurrenten unterscheidet, ist, dass wir Pioniere im Bereich des Umweltingenieurwesens sind. Die Konkurrenten entwickeln ihre Aktivitäten in diesem Geschäft erst jetzt.


Es ist erstaunlich, dass Sie sich als Geologe mit Biologie, Chemie und Ingenieurwesen beschäftigt haben, Sie haben sich wirklich auf viele Dinge eingelassen!

Lassen Sie mich Ihnen etwas verraten. Wenn es etwas gibt, das wir nicht tun können, dann können wir es lernen. Mein Mentor, Professor Wolfgang Leupold (ETHZ), sagte mir immer: «Es gibt nichts, was man nicht tun kann. Es gibt keine Mauer vor uns, es gibt immer eine Lücke, durch die man hindurchgehen kann». 

Fotograf: Hugues Siegenthaler 


In den letzten 50 Jahren gab es eine Menge Veränderungen im Bereich der IT. Wie haben Sie diese Veränderungen erlebt?

Damals wurde alles auf Papier gemacht, mit gelben Blättern. Die Sekretärin schrieb darauf die Rechnungen. Dieser Prozess wurde durch ein Computerprogramm ersetzt, aber es hat nie funktioniert, so dass wir nicht mehr abrechnen konnten. Wir waren in Gefahr, wegen mangelnden Cashflows in Konkurs zu gehen, obwohl wir viel Arbeit hatten. Nach einer Weile, als uns das Geld ausging, begannen wir wieder mit der Abrechnung wie zuvor. Erst die dritte Software hat wirklich funktioniert.


OD: Nach 50 Jahren ist das zeitgerechte Fakturieren immer noch eine Herausforderung!

Ein weiteres Problem war damals, dass nur die Gründer Mandate einholten. Die anderen Mitarbeiter hatten Angst, das Geld der Firma zu verlieren. Man braucht keine Angst zu haben, man muss es immer wieder versuchen. Und wer holt jetzt die Mandate?


OD: Die Geschäftsleiter der Niederlassungen stellen oft die Kontakte her. Auf der Ebene der Grosskunden kümmert sich die Generaldirektion darum. Einige Mitarbeitende bringen Mandate ein. Das Wichtigste bleibt, die Kunden zu behalten, sie mit unseren Dienstleistungen zufriedenzustellen und einen persönlichen Kontakt mit ihnen zu pflegen.


Und nach CSD haben Sie Ihren Traum verwirklicht, indem Sie Ihr Schiff gebaut haben?

Ich hatte meine eigene Vorstellung von einem Schiff: Ich wollte, dass es schnell, schön, bequem und meerestauglich ist und war von den Baltimore- Lotsenbooten des 19. Jahrhunderts inspiriert. Statt eines Holzschiffs wollte ich eines aus Aluminium, aber niemand wollte es bauen, ausser diesem Schiffsbauer in Lyon. Er hatte ein Verfahren zur Herstellung von spantenlosen Booten. Und ja, meine Frau und ich haben den Atlantik überquert und sind sechs Jahre lang auf der Reise geblieben.


OD: Vielen Dank, Carlo, dass du dich bereit erklärt hast, diese Anekdoten aus der Vergangenheit mit uns zu teilen und das solide Fundament einer Gruppe mit heute mehr als 800 Mitarbeitenden zu legen.

Olga Darazs // OD
Interview von // Daniel Signer

 

Foto: Carlo Colombi, umgeben von den Mitgliedern der Geschäftsleitung und der Präsidentin des Verwaltungsrats (Fotograf: Hugues Siegenthaler)

 

Lesen Sie die Ausgabe 2020 von CSD Live

© 2025 CSD INGENIEURE

Delivered by IDX – link to website (opens in a new window)